Mittwoch, 4. April 2007

Psychoseerfahrungen

Der Inhalt dieses Beitrages beruht auf Tatsachen. Alle Rechte beim Autor.



„Merzig mach die Tore auf, Rüdiger kommt im Dauerlauf“ so oder ähnlich klang es zu meiner Schulzeit unter uns Kinder, wenn wir mit dem Thema Psychiatrie konfrontiert wurden. Damals dachte ich nicht im entfernste daran einmal selbst psychisch krank zu werden. Wer macht das auch schon, keiner.
Aber es geschah nun mal. Wie oder warum, fragte ich mich jahrelang, „warum ich“
Warum? , „Blödsinn darüber zu spekulieren“, egal ob es der frühe Tod meiner Mutter war. Das mein Vater mich aus Lust und Laune gerne verprügelte, als Kind, wenn er schlecht drauf war. All diese Grübeln brachte mich nach meiner Psychose nicht weiter. Das machen andere auch mit, dieses und viel schlimmeres sogar und bleiben dabei gesund.

Im März 1986 wurde ich an einem Dienstag abend mit dem Notarztwagen nach Saarbrücken auf den Sonnenberg gebracht. Ich war zweiundzwanzig Jahre alt. Merzig hatte kein Bett frei. Das hatte ich schon die Nacht vorher mitbekommen, als ich aus Angst, vor den Stimmen die ich seit längrem hörte in ein Krankenhaus in Neunkirchen ging um Hilfe zu bekommen.
Die Tage zuvor hatten sich die Stimmen enorm verstärkt. Waren sie am Anfang nur ab und an vorhanden. Ich dachte zuerst ich würde mich nur verhören, wenn ich in einem Gespräch etwas hörte, was aber keiner geäußert hatte.
So hörte ich sie nun ständig, bedrohlich. Sie machten mir Angst immer mehr Angst. „ Du bist schlecht Michael, so schlecht“
.
Meine Psychose äußerte sich hauptsächlich durch Stimmenhören. Wie ich heute weiß ein Hauptbestandteil bei einer paranoid halluzionegene Psychose.
Die Stimmen gehörten Menschen aus meiner nächsten sozialen Umgebung. Familienangehörigen, Freunden oder meiner Exfreundin. An der ich damals noch sehr hing.
Dabei war es egal ob die Personen noch lebten oder verstorben waren.
Was ich für mich als tröstlich empfand, wenn meine Mutter mit mir sprach.. Ich wusste sie lebte nicht mehr seit genau elf Jahren schon nicht mehr.
Wie ich das mir meiner Logik vereinbarte? .Nun ich beschäftigte mich damals sehr mit Esoterik und Parapsychologie die „Unglaublichen Geschichten“ bei RTL plus gehörten Samstagsabends zu meinen festen Sendungen, die ich mir nicht entgehen lies. Besonders die Tonbandexperimente in diesen Sendungen hatten mein Interesse gefunden. Und es blieb nicht nur bei der Theorie ich machte im Winter 1985 auch öfters selber Einspielungen.

Mit einem Bild von meiner Mutter sah´s ich da, vor mir ein Radiorecorder mit angeschlossenem Mikrophon.
„Der hatte sie wirklich nicht alle“, werden nun einige von ihnen denken. Aber für mich war es Normalität.
Ich war auch lange der Meinung, wirklich meine Mutter auf diesen Bändern gehört zu haben. Ich wollte sie auch einer Ärztin auf dem Sonnenberg vorspielen, als ich ihr in einem meiner ersten Gespräche bei dieser Ärztin ziemlich freimütig von meine Experimente erzählte.
Was ich aus heutiger Sicht besser unterlassen hätte. Die Reaktion als sie in diesem Gespräch zu meiner Tante schaute, die anwesend war, weiß ich noch heute, ein leichtes Kopfschütteln ihrerseits.
„Herr Holzer lassen wir das mal, das bringt sie nicht weiter. Sie können aber wenn sie demnächst auf Belastungstraining zum erstenmal nach Hause gehen, die Bänder vernichten“ Mehr hörte ich dazu nicht.
„Kann ich mit den Menschen die ich höre, noch Kontakt haben weiterhin“ fragte ich zwei Wochen später die gleiche Ärztin, „warum nicht, die tun ihnen doch nichts“, kam als Antwort.
Dies nur zum Verständnis, in Bezug Fachpersonal, das einem noch zusätzlich das Leben erschwert in Psychiatrischen Kliniken.

Ich wurde später öfters gefragt wieso ich nicht schon am Anfang meiner Erkrankung zu einem Arzt oder Facharzt ging.
Ich fühlte mich nicht krank, meine Ausdauer nahm sogar zu. Ich lief tagelang im Regen rum Februar, kalt, nass, ich bekam in der ganzen Zeit nicht einmal eine Erkältung.
Gut ich hörte Stimmen, „Das ist doch nicht normal, da hättest du doch merken müssen das etwas nicht mit dir stimmt“
Nein, für mich war dies zu der Zeit normal, selbst heute könnte ich noch schlüssig für alles eine Erklärung finden.

„Kein Mensch läuft nachts zehn Kilometer durch den Wald, nach Kirkel“ ( Nachbargemeinde im Saar-Pfalz-Kreis)
„Nein, macht keiner?“
Ich hörte die Stimme von Steffi, „ Michael wir treffen uns oben an der Burg, ich warte, bitte komm“
Michael ging nach Kirkel, logisch, oder? .
Ich zog mich nachts an, nahm meine Zigaretten vom Tisch und verlies die Wohnung, einfach so? .
„Wir kommen runter und holen dich du dumme Sau, ich schlage dir eine vor das Maul das du nur so staunst.“
Die Stimme eines Nachbarn, über den ich mich einmal beschwert hatte, bei der Hausverwaltung.

Klar kann man darüber lachen, wenn man nicht davon betroffen war. „Angst hat er keine, aber laufen kann er“
Ich möchte damit nur verdeutlichen jede Reaktion in dieser Krankheit, liegt eine für den Erkrankten deutliche und schlüssige Logik zugrunde.
Ich bin nicht aus Lust und Laue bei kaltem Sauwetter nachts zehn Kilometer durch den Wald gelaufen.
„Hättest ja ein Taxi nehmen können, ha, ha“.

Ich kam also am 22.03,1986 in die psychiatrische Fachklinik auf den Sonnenberg, bei Saarbrücken.
Zuvor verbrachte ich ein Tag in einer allgemein Klinik in Neunkirchen, Josefskrankenhaus. Dort verlies ich mehrmals unerlaubt das Klinikgelände, „Wir kriegen dich doch noch, dann bist du reif“
Beim dritten Unerlaubten Entfernen aus dieser Klinik spielten die Ärzte dort nicht mehr mit. „Herr Holzer wir können hier nichts für sie tun, sie müssen in eine Fachklinik“

Ich weiß noch, als ich in Saarbrücken aus dem Krankenwagen stieg, und in das Gebäude geführt wurde. Ein Arzt, ein Rettungssanitäter und der Krankenwagenfahrer. Drei Mann, ich wog zu dieser Zeit keine 63. Kilo.
Wer hatte mehr Angst, die oder ich? .
Da ich in Neunkirchen mehrfach unerlaubt die dortige Klinik verlassen hatte, kam ich auf eine geschlossene Station. „Die geschlossene ist Aufnahmestation“ bekam ich später zu hören.

Nach dem Aufnahmegespräch mit einer jungen Ärztin bekam ich ein Bett, das im Tagesraum stand. Es roch stark nach kaltem Rauch. „Wir sind momentan überbelegt“, sagte die Ärztin erklärend. Zu dieser Zeit wusste ich noch nicht das diese Station ständig überbelegt war, da sollte ich aber die nächsten Wochen noch hautnah miterleben.
Ich legte mich nach dem Ausziehen, einen Schlafanzug trug ich noch unter meiner Straßenkleidung, als ich im Josefskrankenhaus stiften ging hatte ich nur ein Hemd und meine Jeans drübergezogen, unter die weiß gelbe Bettwäsche die sehr stark gestärkt war
Der Pfleger der mir ziemlich unsympathisch erschien schob einen Infusionsgalgen mit einem Infusionsbeutel mit einer klaren Flüssigkeit in den Raum. Er machte eine Kanüle fertig und schob mir diese ohne Erklärung in eine Vene meines linken Armes.
Ich bekam meine erste Haldolinfusion, nach ein paar Tropfen von dem Zeug war ich weg.
Es sollte noch viele weitere folgen. Die ersten sieben Tage Infusionen, drei Stück am Tag. Danach Tropfen und später Tabletten. Und dann dreizehn Jahre lang Depotmaterial. Mit einigen unangenehmen Nebenwirkungen. Mundtrockenheit, Harnträufeln, Impotenz und drei Jahre später eine beidseitige Gynäkomastie ( Brustbildung beim Mann).
Aber schön der Reihe nach zum Mitfühlen.

Mein erstes Erwachen am nächsten Morgen, die Stimmen in meinem Kopf lachten und beschimpften mich, „Michael hast du es jetzt endlich geschafft, bist du in der Irrenanstalt dort wo du hingehörst. Schon lange hingehörst“ mein Schulfreund Walter hatte diesen Spruch losgelassen.
„Dann bin ich ihn endlich los, den Blöden Hund“ sagte Steffi in meinem Kopf..

Beide unterhielten sich scheinbar über mich, beschimpften mich, machten meine Gefühle für Stephanie lächerlich.
„Weißt du noch wie er sich im Diana anstellte, als ihr euch zum erstenmal traft? . Damals hatte er noch die langen Haare, dachte er sieht aus wie John Lennon, der Vollidiot“ Walter und Steffis lachten.

Die Ärztin vom vorigen Abend schaute noch einmal kurz bei mir vorbei, danach war ihre Nachtbereitschaft beendet.
Ich hörte das klappern von dem Essenswagen, das Frühstück wurde in den Tagestraum geschoben.
Meine erste Malzeit habe ich noch gut in Erinnerung, nicht das Essen selbst, mehr die unappetitlichen Umstände. Mir gegenüber hatte sich ein junger Mann mit bairischem Dialekt niedergelassen.
Er kaute mit offnem Mund, sprach mit diesem und spuckte ein wenig von seinem Mundinhalt über den Tisch. Zwischendurch lachte er ab und an.
Nach dem er seine Malzeit beendet hatte stand er auf nahm sein Tablett und ging zum Essenswagen, vorne am Schritt war seine Hose stark vergilbt.
Ich hatte Angst, mir war schlecht und ich fühlte mich von der Welt verlassen, „Warum ich“
„Weil du hier geholfen bekommst, Michael“ hörte ich meine Mutter.

Zuerst bekam ich einmal ein Bett das sich in einem Zimmer mit drei andren befand. Meines stand ganz nah am Waschbecken. Meine Zimmernachbarn erschienen mir normaler als der junge Baier.
Ich schlief fast den ganzen Vormittag, kurz nur kam ein Arzt vorbei. „Sie hören Stimmen, sehen sie auch Bilder?“ fragte er mich in meinem Halbschlaf,
„Nein ich empfange nur den Ton“ antwortete ich ihm verschlafen. Heute denke ich, wie blöd war diese Antwort von mir.
Ich schlief bis zum Mittagessen, diesmal setze ich mich an einen andren Tisch, hier sahsen eine blonde ältere Frau und zwei Männer, die einen vernünftigen Eindruck auf mich machten. An diesem Tisch entstand dann auch mein erstes Gespräch mit Mitpatienten, das aus mehr als nur fünf Worten bestand. Ich erfuhr das die Frau HNO Ärztin war und aus Saarbrücken stammte, sie war wegen Depressionen hier in Klinik. Einer der Männer war Alkoholiker. Ich stellte Fragen nach dem Tagesablauf, für mich war alles Neuland.

Die Ärztin am Abend zuvor hatte ich schon mit Fragen gelöchert. Gibt es Elektroschocks, die berüchtigte Gummizelle, also alle Horrorszenarien die außerhalb im Volksmund so rumgeistern.
Sie beruhigte mich in meinen Befürchtungen „Das schlimmste was ihnen passieren kann ist das wir sie am Bett fixieren müssen. Das geschieht aber nur zu ihrem besten“

Ich stellte aber in meinen neun Wochen auf dem Sonnenberg fest, das, das Fixieren doch öfters praktiziert wurde, als mir die Ärztin erzählte. Oft aus ziemlich autoritären Gründen. Tauchte ein Patient zu oft vorm Dienstzimmer auf, oder wie ich einmal legte, sich früh abends nach dem Abendessen ins Bett, was dem Diensthabenden Pfleger nicht gefiel und schon konnte es geschehen das man an sein Bett gefesselt wurde.
Ich nervte das Personal die ersten vierzehn Tage fast ständig, „Wann komme ich wieder nach Hause? Meine Medikamente kann ich auch Zuhause nehmen“.

Mehr wurde als Behandlung nämlich nicht gemacht. Infusionen, Tropfen, Stationsvisite die auch ausfallen konnten. „Dr. Gutmann musste in eine Besprechung“ hörten wir dann als Begründung.
Besonders unangenehm war für mich der tägliche Gang zur Toilette. Diese befand sich zwar im Krankenzimmer immer für zwei Patientenräume zusammen auf beide Seiten durch Pendeltüren zu betreten. Das Klosettbecken ohne Brille, oft verpisst und im wahrsten Sinne beschissen.
Durch die Medikamente hatte ich oft Verstopfung, aber da ich ständig mit der Angst lebte es könnte jemand in den Raum kommen, nahm ich mir auch keine Zeit für meine Sitzungen, mit dem Erfolg das ich mich ziemlich unwohl fühlte. Was auch später Zuhause noch lange anhalten sollte. Selbst heute, wenn ich einmal in Urlaub reise, habe ich zuerst einmal Verstopfung.

Als ich auf die offene Station kam, sprach ich einen Pfleger auf mein kleines Darmproblem an. Er lies mich dann im Stationsbad auf die Toilette gehen. Das konnte nur von außen mit einem Schlüssel geöffnet werden. Was mir ein Gefühl der Sicherheit gab.

Als Therapieangebot gab es nicht mehr als Frühsport, Wassertreten, Stationsschwimmen und Beschäftigungstherapie.
Ein großer Begriff, was verbarg sich dahinter. Laubsägearbeiten, oder Malen. Pumukel, Biene Maja. Ich fragte den Therapeuten ob er ein bisschen kindisch sei. Die Antwort die ich bekam, schreibe ich hier nicht nieder.

Beim nächsten Mal ging ich dann zur Montagegruppe. Hier in einem gelben Container auf dem Klinikgelände wurden Kabel, abisoliert und perfektioniert. Also, mit Kabelendhülsen versehen.
Auch hier trat ich ins Fettnäpfchen. Da ich als ausgebildeter Elektroinstallateur meine Abisolierzange anders einstellte und ein wenig schneller arbeite, bekam ich einen Anschiss, ich würde oberflächig arbeiten.
Dumm wie ich war lies ich mich auf einen Wortwechsel mit dem Anleiter ein. Ich wusste das er kein Ausgebildeter Anleiter oder Arbeitstherapeut war. Nein den Knabe kam von Saarberg. Er war einmal Bergmann.
Zu diesem Zeitraum April 1986 kam es in der Ukraine zum Reaktorunfall von Tschernobyl. Da unsere Kabel aus der damaligen DDR kamen, hatten wir eines Morgens kein Material mehr. Und beim Mittagessen keinen Salat, abends keine Frischmilch.
Was machten wir statt dessen. Pumukel, Biene Maja, ausmalen.
Das war für mich der Horror schlechthin. Ich ging um 09.00 Uhr morgens zum Container, gab meine Therapiekarte ab, hielt mich kurz dort auf, ging wieder raus und im Nachbargebäude auf die Toilette, setzte mich auf die Klobrille die dort vorhanden war und lies, so weit wie meine Medikamentanion dies zu lies in einem alten Sternmagazin.

„Du bist wie ein frührer Kollege von mir, kommst schaust dich um und verdrückst dich aufs Klo“ sagte mein Bergmann nach ein paar Tagen.
„Und du bist ein Arschloch“ kam es von mir.

Seit ich hier auf dem Sonnenberg war hatte ich mich verändert. Am Anfang hatte ich täglich geheult, fühlte mich verlassen, mehr als je zuvor, hatte Angst hier nicht mehr raus zu kommen.
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich menschlich immer zurück haltend, jedem Streit aus dem Wege gehen, nicht unangenehm auffallen. Das war meine Devise. Erklärlich wenn ich an meine Kindheit mit meinem Cholerischen Vater denke.
Nun nicht mehr, jede Kritik an mir als Mensch konnte ich nicht mehr aushalten und forderte mich zu einer verbalen Reaktion heraus.
„Verbal aggressiv“ hörte ich von meinem Stationsarzt nach dem Vorfall mit dem Arbeitsanleiter.
Verbal aggressiv höre ich seit neunzehn Jahren, von sogenannten Fachleuten. Nur ich blieb bis heute gesund. , ohne Rückfall, aber ich greife zu weit vor.

Ich bekam auch angedroht bei weitren Verbalen Fehlgriffen meinerseits nicht mehr nach Hause auf Belastungstraining gehen zu können. Was ich zweimal die Woche immer auch über Nacht machen konnte.
„Sie nehmen auch sofort regelmäßig an ihrem Arbeitstraining teil. Wenn wir das bei Ihnen dulden verhalten sich die anderen Patienten später genauso, das geht nicht“ teilte mir Dr. Gutmann mit. Ich gab keine Antwort, ging weiterhin zum Container und auf mein Klo, mit Sternmagazin.

Nach den Wochen hier hatte ich begriffen das viel gedroht wurde, aber das Personal lieber seine Ruhe hatte und in der Stationsküche „Bild“ las oder Kaffee trank
Solange ich nicht tätlich wurde, meine Medikamente nahm, was ich auch tat, in meinem eigne Interesse, konnte mir nichts passieren.
Es wird viel über Medikamente geschimpft, teilweise zu recht, aber ohne wäre ich niemals gesund geworden, ist meine Meinung.
Meine Stimmen hörte ich noch sechs Wochen lang nur sie machten mir keine Angst mehr. Ich war körperlich ziemlich steif, stakste rum wie ein Storch im Salat, meine Gesichtsmimik war wie erstorben.
Als ich in der ersten Woche in den Spiegel schaute beim Rasieren, erkannte ich mich fast selbst nicht mehr. Meine Augen waren trüb und verschleiert, mein Gesicht wirkte dämlich, als ob ich geistig behindert sei.
Von einer Krankenschwester die ich daraufhin fragte, bekam ich die Auskunft das sei vom Haldol, auch über meine Impotenz sprach ich sie an.“ Das gibt sich wieder, sobald die Tropfen abgesetzt werden“,
Ich bezog mehr Informationen vom Pflegepersonal als von Ärzten. „Dr. Gutmann musste zu einer Sitzung“ ihr kennt es ja.
Krankenbesuch bekam ich in den neun Wochen auf dem Sonnenberg nur von meiner Tante.
Von meinen Freunden lies sich keiner blicken. Einmal als ich nach dem Belastungstraining an der Bushaltestelle stand kam Walter auf mich zu.
„Hallo Michael, wie geht´s dir? Du ich habe so eine starke Erkältung das glaubst du nicht“ sprachst und zog an seiner Zigarette.
Klar was ist eine Psychose gegen eine Erkältung. Was eine jahrelange Freundschaft?
Nichts? .
Innerlich hatte ich schon Abstand genommen zu meinen Freunden, die plötzlich keine mehr waren.
„Was Michael ist in der Klapse? . Hat er die Geschichte mit Steffi doch nicht auf die Reihe bekommen. Die hat es ihm dreckig gemacht, was“ so ähnlich musste ein Gespräch tatsächlich damals abgelaufen sein, hörte ich Jahre später.

Ich setzte mich Mittags oft in den Tagesraum und blickte durch die große Glasfront hinaus. Die Klinik lag hoch auf einem Berg in der Nähe eines Ortsteils von Saarbrücken. In der Ferne sah ich verschiedene Autobahnen die sich durch die Landschaft zogen. Direkt um die Klink befand sich ein gesunder Mischwald. Jetzt im Frühjahr begangen die ersten Bäume zu knospen.
Als Kind war ich mit meinen Eltern oft spazieren im Wald. Bilder von früher zogen durch mein Gedächtnis. Ich selbst auf einem umgekippten Baum in kurzen Hosen mit weißen Strümpfen, mein Vater mit seiner Kamera, meine Mutter neben mir.
In diesen Momenten dachte ich auch über mein weiteres Leben nach. Wie geht es weiter, wenn ich in ein paar Wochen hier rauskomme? . Wie sollte ich leben ohne Freunde. Konnte ich noch neue Beziehungen aufbauen. Was war mit Arbeiten.

Vor meinem Psychotischen Schub war ich arbeitslos, meine letzte Stelle hatte ich aufgegeben, weil ich nicht mehr zurecht kam. Mit den Mitarbeitern, ich hatte ständig das Gefühl sie reden schlecht über mich. Vom Arbeitsamt hatte ich eine Sperrzeit bekommen. Während des Krankenhausaufenthalts bekam ich Taschengeld vom Sozialamt Saarbrücken.
Wie sollte es weitergehen?
Heute im Rückblick denke ich es ging besser weiter, als ich mir vorstellte. Aber es sollte bis 1995 dauern, bis ich wieder tragfähige Beziehungen aufbaute und Freundschaften suchte und auch einging und pflegte.

Im nach hinein sehe ich meine Erkrankung wie eine Einweihung in einen neuen Lebensabschnitt.

Der ganze Schrott der sich in meinem Bewusstsein angesammelt hatte, kam an die Oberfläche. Ungeordnet und verschlüsselt zuerst, Ordnung schaffe musste ich selbst.

Meine Stimmen gaben mir das was ich brauchte. Ich vermisste meine Mutter, ich hörte sie. Ich war unglücklich verliebt, nach der Trennung von Stephanie. Ich hörte sie und sie bestellte mich in meinem Kopf zu einem Treffen, wenn auch Nachts Kilometer weit entfernt.

Von einem zurückhaltenden Menschen, der fast alles in sich hinein fraß wurde ich zu jemand der sich wehrte.
Es dauerte Jahre bis ich dahinter kam was diese Erkrankung mir brachte, die Wende in meinem Leben.
Als ich im Mai 1986 aus der Klinik entlassen wurde stand ich am Anfang eines langen Weges. Am gleichem Tag musste ich nach Neunkirchen auf das Sozialamt um meine finanzielle n Sachlage abzuklären. Ich bekam nun Sozialhilfe. Diese bezog ich bis 1991, wo ich eine ABM Stelle als Hausmeister im Bürgerhaus Neunkirchen bekam. Trotz aller Unkenrufe sogenannter Fachleute hielt ich das Jahr durch. Eine Übernahme in eine Festanstellung war von Anfang an ausgeschlossen.

Während dieser Zeit hatte ich einen Termin auf dem Arbeitsamt Neunkirchen bei einem Psychologen. „ Was arbeiten sie den auf ihrer ABM Stelle?“ Ich sagte ihm meine Aufgaben die ich dort bewältigte. „Das können sie doch gar nicht, sie haben das doch nicht gelernt, Herr Holzer“ innerlich kochte ich.
Er gab noch weitere Weisheiten zum besten. Publikumsverkehr wäre nichts für mich seiner Erfahrung nach kämen Psychotiker damit nicht zurecht u.s.w.
Ich konnte nicht mehr an mir halten, „Hat es mit ihrer Alten gestern abend nicht geklappt? . Oder warum halten sie mir sonst so ein saublödes Gespräch. Fragen sie meine Vorgesetzten, fragen sie nach Krankmeldungen. Es gibt keine. Ob ich meine Arbeit machen kann, können sie nicht beurteilen“
Ich hatte mich richtig in Rasche gebracht, was dachte der dumme Hund eigentlich.
Und schon bekam ich wieder das Allzeit bekannte Verbal aggressiv zu hören.
„ Sie sind sehr verletzend Herr Holzer, das haben sie mit meiner Frau gemeinsam“ sprach er darauf als ich zur Zimmertür ging.
„ Ich werde sehen was ich für sie tun kann“
Meine ABM ging bis Oktober 1992. Anfang Dezember 1992 fing ich eine ReHa Maßnahme bei der DEKRA an. Diese ging über ein Jahr und beinhaltete eine Theoriephase und Praktika.
Eine Berufliche Perspektive ergab sich nicht, was aber auch daran lag das ich zu oft sagte was ich dachte.

1995 wurde ich wieder zur DEKRA geschickt und in diesem Jahr ergaben sich für mich viele Veränderungen.

Die Zeit der Ernte kam

Hatte ich die ganzen Jahre seit meinem Klinikaufenthalt meistens Zuhause lesend alleine verbracht hatte ich plötzlich wieder gefallen daran unter Menschen zu gehen.
Es fing alles damit an das eine weibliche Teilnehmerin meiner Maßnahme und ich uns näher kennen lernten.Wir trafen uns oft nach Unterrichtsende und gingen Kaffeetrinken, oder fuhren mit ihrem PKW durch die Gegend.
Eine Beziehung wurde daraus nicht, was wieder einmal an meinem ungezügelten Mundwerk lag. Aber dazu äußere ich mich hier nicht

Aber zwischen zeitlich ging ich auch öfters alleine aus. Ich setzte mich in ein Cafe und las. Nach einiger Zeit kam ich mit Menschen die auch zu den Stammgästen gehörten ins Gespräch und daraus entstanden Kontakte bis heute.
Durch einen andren Teilnehmer meiner Maßnahme kam ich in Kontakt mit einem Kontaktstellencafe für psychisch Kranke hier in Neunkirchen, Cafe Theodor.. Nach einiger Zeit lernte ich auch dort wieder eine gleichaltrige Frau kennen die dort neuerdings als ABM Kraft arbeitete.
Christa lud mich am Anfang öfters zu sich ein. Ich ging meistens nicht hin, ich fühlte mich einfach zu unsicher dazu. Das sollte sich aber noch ändern. Wie jedes Jahr ende Juni findet bei uns in der Innenstadt das Stadtfest statt. Ein Volksfest.
Christa hatte an dem Sonntag Dienst im Cafe Theodor. „ Michael geh doch heute abend mit auf das Stadtfest. Es wird dir gefallen, überlegst dir, komm“ so sprach sie den ganzen Nachmittag auf mich ein. „Gut damit du endlich Ruhe gibst gehe ich kurz mit“ lies ich mich von ihr breitschlagen.
Und was soll ich hier sagen, es war klasse, nach so langer Zeit wieder einmal auf einem Volksfest zu sein. Live Musik, Gerüche nach Bratwurst, Schwenkbraten und andren Deftigkeiten.
Wir blieben bis gegen elf Uhr abends unten auf dem Fest. Ich brachte Christa noch zu einem Taxistand und ging selbst mit geschwellter Brust nach Hause. Stolz auf mich, das ich den Menschenrummel ausgehalten habe, später sogar gar nicht mehr daran gedacht habe, das ich mich eigentlich unwohl fühlen sollte.
Mit Christa verbrachte ich noch viele schöne Stunden, aber auch viele Trübe, aber das gehört nicht hierher. Nur ohne sie wären die letzten Jahre und meine persönliche Entwicklung nicht möglich gewesen. Danke.

In etwas über einem Jahr hatte ich mir neue Tragfähige Kontakte aufgebaut die mit Veränderungen bis heute fortbestehen. Was mir viel Kraft gibt.
„Niemand ist eine Insel“ heißt ein Gedicht und ein Roman, eines bekannten deutschen Schriftstellers. Er hat recht. Wo wäre ich ohne Kontakte, ohne Menschen, wenn auch nicht alles glatt lief, Streitigkeiten, Eifersucht, scheitern von Beziehungen das gehört einfach zum Leben dazu.
Die Jahre zuvor brauchte ich aber auch. In meinem ganzen Leben werde ich nicht mehr so viel Zeit mit Lesen verbringen können. „Psychisch Kranke lesen nicht“ sagte einmal eine Sozialarbeiterin der Caritas zu mir.
Dazu brauche ich wohl nichts weiter zu sagen.

Was mich oft kränkte und betroffen machte ist die Dummheit und Intoleranz sogenannter Fachleute wie, Sozialarbeiter, Psychologen und Ärzte. Letztere nicht mal soviel wie die erstgenannten
Ihr werdet andere Erfahrung gemacht haben. In vielen Publikationen sind die Ärzte die Personen die den negativsten Eindruck hinterließen, bei mir eben nicht, sorry.
Ich gab mich auch nicht viel mit ihnen ab, ich ging regelmäßig zu einem nieder gelassenen Facharzt hier in Neunkirchen. Dr. K, setzte die Tabletten die ich in der Klinik noch verordnet bekam, ab und stellte mich auf eine Depotspritze ein. Lange Jahre lang bis 1997. Die letzten drei Jahr dieses Zeitraums senkte er mit Rückmeldung von mir die Dosis ständig, nur ganz absetzen wollte er das Depotmaterial nicht. Er hatte keine guten Erfahrungen damit gemacht, es ganz abzusetzen. In seiner Praxis.
Ich wechselte darauf zum erstenmal in dreizehn Jahren den Arzt, auf anraten eines Psychologen der DEKRA.
Ich ging zu Dr. St. einem anderen Psychiater hier in Neunkirchen. Er war von dem Psychologen schon informiert. Nach einem Vorgespräch mit mir übernahm er die weitere Behandlung von mir. Bei Dr. St. machte ich auch eine ambulante Gesprächstherapie über fünfzig Sitzungen.
Hier lernte ich mich und meine große Verletzbarkeit kennen und mit meinen Gefühlen umzugehen.
Ich und Ihr habt ein Recht auf euere Gefühle, die Wertung dieser in positiv oder negativ, steht keinem Außenstehenden zu.
Mir gefällt auch nicht immer was andere Menschen tun. Auch bei vielen psychisch Kranken nicht, die zum Beispiel fast immer mit einem Elternteil anzutreffen sind.
In meinem Bekanntenkreis habe ich so einen Fall. Der Mann tut mir in der Seele leid, aber er schafft es nicht sich von seiner Mutter zu lösen, die ihn behandelt wie einen kleinen Jungen. In einem Gespräch äußerte ich einmal zu diesem Pärchen, das die Mama wahrscheinlich kränker ist, als ihr Sohn.
Bis dahin wusste ich nicht was der Begriff Furie wirklich bedeutet.

Mein eigner Umgang mit dieser Erkrankung war schon zu meiner Klinikzeit offen. Ich machte kein Geheimnis daraus das ich auf dem Sonnenberg war. Meine Tante und meine anderen Verwanden sahen diese Offenheit mit Skepsis. Wahrscheinlich mehr Scham. „Das brauchst du doch nicht jedem zu erzählen“

Mein frührer Freundeskreis reagierte verhalten bis heimtückig, mir selbst ins Gesicht wurde nichts gesagt, aber hintenrum um so mehr.
Ich hörte auch oft von Menschen. „ Wir haben auch jemand im Umfeld, der hatte einmal Depressionen.
Ich will Depressionen nicht verharmlosen, aber der Begriff ist gesellschaftlich anerkannt.
Obwohl Depressionen zu den Psychosen des schizophrenen Formenkreises gehören.
Das Kind braucht einen Namen, Begriffe und Bezeichnungen spielen eine große gesellschaftliche Rolle
Psychose als Krankheitsbegriff ist nicht so abwertend gedacht, wie das was nicht nur Gesunde sondern vielmehr Erkrankte daraus machen.
In fast der ganzen Selbsthilfe Literatur lese ich immer wieder wie negativ dieser Begriff besetz ist bei Psychiatrie Erfahrenen.
Diesen Begriff höre ich persönlich gar nicht gerne, er klingt für meine Ohren einfach nur blöd.
Wenn ich an der Galle erkrankt bin, bin ich nicht Internistisch Erfahrener u.s.w.
Ich möchte niemand zu nahe treten, nur meine ganz persönliche Meinung über diese Bezeichnung.
Ich persönlich bin zur Zeit meiner Psychotherapie dazu über gegangen meine Erkrankung als psychologischen Ausnahme Zustand zu bezeichnen.

Ich hörte auch schon, dass ich gar keine Psychose hatte, nicht von Ärzten, Nein von Psychiatrie Erfahrenen.
Sie können nicht glauben das ich nur einen Schub hatte, vor neunzehn Jahren, „Das war keine Psychose, ich habe schon viermal einen Schub und war drüben in der Klinik“, hörte ich von Betroffenen im Gespräch im Cafe Theodor.

Intoleranz gibt es nicht nur unter Gesunden, sondern Überall, ich bin auch nicht frei davon.
Lange Zeit stand meine Psychose Erfahrung im Mittelpunkt meines Lebens, die Erkrankung veränderte mein Leben total.
Was mir vorher wichtig erschien, wurde nebensächlich. Grenzen die ich mir selbst auferlegte lösten sich auf, nicht zuletzt durch meine Therapie.
Wenn mir heute was auf der Seele brennt spreche ich darüber, ich fresse nichts mehr in mich hinein. Zuerst ich dann kommen andere, in meinem Leben.
„Egoist“
Nein das bin ich nicht. Aber es heißt, Liebe Deinen Nächsten wie die selbst, wie sollte ich mich selbst lieben, wenn ich mich selbst schlecht behandeln würde. Deshalb denke ich zuerst an mich selbst.
„ Kein Wunder das du keine Partnerin findest“, Irrtum ich lebe seit sieben Jahre in einer festen Partnerschaft, mit einer gleich alten Frau, aber in getrennten Wohnungen. Und das funktioniert prima.
Ich nehme mir auch heute ab und an eine Auszeit, ich brauche diese Momente für mich selbst. Gehe spazieren, lese, höre Musik, oder schreibe Berichte wie diesen.
Auch das Schreiben wurde zu einem wichtigen Punkt für mich. 1987 brachte ich auf über dreißig handbeschriebnen DIN A4 Seiten, meine Gefühle zu Papier , was Stephanie und meinen frühren Freundeskreis betraf. Das ganze steckte ich in einem Umschlag und sendete diesen an Walter. Eine Antwort darauf bekam ich damals nicht.
Stephanie sah ich das erstemal 1998 wieder. Sie arbeitete als Putzfrau in einer psychiatrischen Klink, die 1993 hier in Neunkirchen im Fliednerkrankenhaus eröffnet wurde.
Ich war einen Bekannten besuchen, als ich Lust auf einen Kaffee bekam und in die Cafeteria ging. Draußen auf der Terrasse sah ich Steffi sie machte Pause mit einer Kollegin . Ich ging raus zu ihr.
„ Erkennst du mich noch?“ sprach ich sie an. „ Ja Michael“ antwortete sie mit gefasster Stimme

Mehr Worte wechselten wir beide nicht. Wochen später, trafen wir uns durch Zufall wieder in dieser Cafeteria. Diesmal sprachen wir mehr miteinander. Aber bis heute nie über unsere frühere Beziehung im nur Allgemeine Themen.
Ich brauch auch nicht mit ihr darüber zu reden, das habe ich mit mir selbst abgemacht.. Loslassen heißt die Devise, in Liebe loslassen.

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