Mittwoch, 4. April 2007

Stimmen im Wind die so ....

Stimmen im Wind, Autor Michael Holzer

Die Regentropfen liefen über seine Brillengläsern. Er lief den Hüttenberg runter Unruhe und Angst trieb ihn. Seit Tagen war er wie auf der Flucht getrieben vor angst. „ Lauf Markus lauf, es nützt dir nichts. Wir bekommen dich doch noch, du hast keine Chance“. Er setzte einen Schritt vor den anderen. Er war naß bis auf die Haut, vereinzelt traf er auf Menschen die wie er auch bei diesem Sauwetter unterwegs waren. Sie kamen wahrscheinlich von ihrer Arbeit und setzen sich gleich an den Abendbrottisch oder vor den Fernseher. Markus würde heute abend nichts mehr dergleichen tun. Vielleicht nie mehr.

Vor ein paar Monaten hatte es begonnen, zu diesem Zeitpunkt war er noch ein Lebenslustiger Mensch, nicht gerade besonders beliebt oder gesellig, Nein das war er mit seinen zweiundzwanzig Jahren nie gewesen. Er glänzte mehr mit seinem Wissen, als mit seinem Auftreten. Seine langen Haare war noch ein Relikt der siebziger, nun schrieb man das Jahr 1985. In ein paar Wochen war Weihnachten. Die Geschäfte hatten ihre Schaufenster schon geschmückt. Weihnachtslieder erklangen hier und da, aus versteckten Lautsprechern.
Er hatte nie seine Ausbildung, als Elektriker fertig gemacht, nach seiner Schulzeit fing er eine Ausbildung in einem kleinen Betrieb an, nach ein paar Monaten schmiß er die Stelle. Auf Fragen warum er so gehandelt habe, gab er keine Antwort. Warum auch, ging doch keinen was an, oder?.
Der zuständige Sachbearbeiter vom Arbeitsamt dachte anders darüber und verweigerte die Zahlung von Geldern.
Markus jobbte, schwarz, "Rot wählen, Grün denken, schwarz arbeiten“ war für ihn nicht nur ein Spruch. Trotzdem war er wegen seiner finanziellen angespannten Lage, gezwungen auf das Sozialamt zu gehen.
Dieses bot ihm eine Stelle, als gemeinnütziger Arbeiter auf dem alten Städtischen Friedhof an. "Wenn sie sich anständig verhalten können wir ihnen vielleicht eine ABM-Stelle geben, dann hätten sie dadurch die Chance auf eine Arbeitsstelle am ersten Arbeitsmarkt“ stellte ihm die Mitarbeiterin des Sozialamtes freundlich in Aussicht.
Markus machte die Arbeit auf dem Friedhof sogar Spaß. Er war viel an der frischen Luft, es kam auch nicht so auf Genauigkeit an. Toleranzen mußt er hier nicht beachten. Die gesunde Hautfarbe bekam er auch noch umsonst. Wenn ihn seine Freunde Freitagsabends im Keglerheim, auf seine Arbeit ansprachen sagte er immer zum Vergnügen aller.“ Von meinen Kunden hat sich noch keiner beschwert“. Irgendeiner war immer drunter der auf Markus Gerede reinfiel. „Wo arbeitest du denn? . „Auf dem Friedhof, wo sonst hast du heute noch solche pflegeleichte Kunden“ antwortete Markus trocken. “Ich habe halt eine Menge Leute unter mir“, setzte er noch einen drauf.
Ganz so lustig ging es aber auf seiner Arbeitsstelle nicht zu. Die Festangestellten konnten ihm schon das Leben schwer machen. Markus war nicht der einzige Arbeiter der vom Sozialamt dort hin verwissen war, Insgesamt waren zehn Leute als gemeinnützige Arbeiter dort beschäftigt. Richtig zum Team gehörte keiner von ihnen. Anfangs wurde jeder kritisch begutachtet, war man pünktlich, machte man seine Arbeit ordentlich?. Hatte man Fehlschichten.
Rasenmähen zwischen den Gräbern, kehren, Blumen pflanzen all dies gehörten mit zu den Aufgaben. Die Blumenbeete in der Innenstadt pflegen und bei heißem Wetter wässern. Bestattungen fanden nur noch selten auf dem Friedhof statt. Nur wer noch eine alte Grabstätte dort besahst konnte noch dort bestattet werden. Das waren nicht mehr all zu viele.

„Ich habe das Gefühl, als wenn der wieder raus will“ sagte Werner, und warf noch eine Schaufel Erde in das Grab. Mit einem dumpfen Ton schlug die Erde auf dem Sarg aus billigem Kieferholz auf. Markus schob mit seiner Schaufel ebenfalls Erde von dem angehäuften und bei der Bestattung mit Tannengrün abgedecktem Grabaushub in das geöffnete Grab. „Irgendwie hast du recht, ich habe auch so ein komisches Gefühl. Anders als sonst, bedrückender. An was ist der gestorben?“. Werner konnte sich ein Schmunzeln nicht verbeißen. Er wußte das Markus sich mit paranormalen Phänomen beschäftigte. Er hielt davon nichts. Mit seinen dreiunddreißig war Werner aber auch geistig reifer als der jüngere Markus. Er verstand sich gut mit ihm. Markus tat ihm leid, irgendwie gehörte der Junge nicht hierher dachte er für sich. Werner hatte ein Gespür für Menschen, durch einen Fehler in seiner eignen Jugend war er gezwungen ein paar Jahren im Gefängniss zu verbringen. Warum und weshalb darüber sprach er nie. Für ihn war Markus so etwas wie sein Schützling, gerade wenn die anderen Arbeiter über ihn ihre Witze rissen.
Was oft vorkam. Markus trank nie Alkohol, in der Pause laß er fast immer in einem Buch das er sich von Zuhause mitbrachte. „Willst noch Studieren und unserem Staat noch länger auf der Tasche liegen“ fragte Helmut, einer von den Festangestellten, als Markus wider einmal beim Frühstück laß. „Dem kannste deine Tochter hinlegen, dann liest er auch noch“ mischte sich ein anderer ein. „Sabine müßte ihm zuerst einmalein Stück Wurst hinhalten damit sie unter all den Haaren erst sieht wo vorne und hinten ist“ zog Helmut weiter über Markus und dessen lange Haare her. Seine Sabine war sein Augenstern, auf den aber auch schon andere ein Auge geworfen hatten, was Helmut nicht so wahrhaben wollte, wie Werner wußte.
Schaufel um Schaufel warfen beide Erde in das geöffnete Grab. Nachdem sie das Grab mit Erde geschlossen hatten, fuhr Werner mit dem VW-Bully noch die Kränze aus der Aussegnungshalle holen. Markus dreht sich eine Zigarette und zündete diese an. Tief inhalierte er den Rauch. Er fühlte sich unbehaglich an dem nun zugeworfnen Grab. Dies war nicht seine erste Beisetzung, aber so seltsam hatte er sich noch bei keiner anderen gefühlt. Markus würde keinem gegenüber zugeben Angst zu haben, aber er hatte welche. Sein Blick schweifte von der Zigarette in seiner Hand über das Gräberfeld. Die Daten auf den Steinen gingen über Jahrzehnte. Vereinzelt laß er die Namen nur um sich abzulenken, hier und da waren die Gräber auch noch gepflegt, Verwandte oder eine Gärtnerei kümmerte sich darum, andere Grabhügel dafür waren total verwahrlost. „Hier möchte ich nicht beerdigt sein“ dachte Markus ohne das ihm die Doppeldeutigkeit seines Gedanken bewußt wurde.“ Warum nicht?“ schien ihn eine Männerstimme zu fragen. Markus hörte Werner mit dem VW kommen. „Endlich wurde auch Zeit, ich will nicht mehr, mir reicht es für heute.“ murmelte er und warf seine Kippe auf die roten Steinplatten und wischte mit seinem Fuß drüber. Werner kam mit zwei Kränzen in der Hand auf ihn zu. „ Wir haben es gleich, es sind nicht viele, muß ein armes Schwein gewesen sein. Nur einer mit einer Schleife daran“. Markus packte die zwei Schaufeln, mit denen sie Gearbeitet hatten und nahm sie mit zum Wagen. Tatsächlich lagen dort nur noch wenige Kränze meist sehr kleine, billige. Er nahm den Rest in seine Arme und machte sich auf den Rückweg. Der süße Duft der Blumen stach ihm in die Nase. Zusammen mit Werner legte er sie auf der Grabstätte nieder. Obwohl sich beide sonst immer darum bemühten den Grabschmuck anständig zu angerieren, gaben sich beide diesmal keine Mühe damit. „ Komm Abflug, machen wir das wir noch in der Halle was trinken bevor wir Feierabend machen“ sagte Werner und nahm die Schalungsbretter auf seine Schulter, mit denen die Grabränder abgesichert wurden bis zur Beisetzung, damit der Grabrand nicht einbrechen konnte. Markus packte mit an. Gemeinsam trugen sie die Holzbohlen, mit den anhafteten Erdresten, zum VW und legten sie auf die Ladefläche. „Das hätten wir mal wieder hinter uns und das blöde Gefühl ist auch nicht mehr da“. Werner hat recht dachte Markus mit der Entfernung vom Grab war das Gefühl geringer geworden, nur noch eine leichte Beklemmung spürte er noch in sich. Die nächsten Beisetzungen mußten sie nicht machen. Die Friedhofsarbeiter wechselten sich mit dem Grabaushub und zuschaufeln ab.

Wochen später, Markus schlief im Wohnzimmer auf der Couch. Es war heiß und drückend im Zimmer. Unruhig drehte er sich im Schlaf auf die andere Seite. Markus träumte, er fühlte sich berührt, spürte wie sich ein anderer Körper an seinen schmiegte. „Komm mein kleine Junge, komm in mein Arme“ Markus fühlte einen weichen Unterarm unter seinem Kopf, fühlte sich geborgen, behütet. „Du mußt aufpassen, es kommt eine schwere Zeit auf dich zu. Ich bin aber bei dir, Markus, mein Markus. Du weißt gar nicht wie lieb ich dich habe“. Markus wehrte sich, er wollte nicht so berührt werden. Er fühlte sich wie ein kleines Kind „Was soll das“, murmelte er, in den letzten Sekunden war er richtig wach geworden. Das Gefühl in den Arm genommen zu werden, war so intensiv für ihn, das er nicht unterscheiden konnte ob er nur geträumt oder es wirklich erlebt hatte. Er spürte noch immer die Gegenwart einer Person neben sich. Obwohl die Couch viel zu schmal für zwei Personen war. „Paß auf, auf dich, versprich mir das?“ hörte er die Stimme seiner Mutter wieder in seinem Kopf. Markus richtet sich richtig auf, verschwitzt fuhr er sich durch die Haare. Was sollte daß, seine Mutter war seit zehn Jahren tot. Gestern war ihr Todesstag fiel Markus ein. Er hatte nicht daran gedacht. Er dachte bewußt seit Jahren nicht mehr daran. Zu schmerzhaft waren seine Gefühle, 1975 für ihn gewesen, als er aus dem Schulunterricht rausgerufen wurde, ins Rektorzimmer. Er konnte sich noch an alle Einzelheiten erinnern. Der Geruch von Pfeifentabak, das kleine Ölbild mit der Kreuzigung an der Wand, der große Kalender mit dem blauem Reklameschriftzug der Druckerei und den Handschriftlichen Notizen der Lehrer.. Das alte schwarze Telefon mit verzwirbelten Kabel das zum Hörer führte, den sein Klassenlehrer in der Hand hielt. Fragen nach seinem Vater, nach seinem Opa. Markus beantworte alle. Er blickte aus dem Fenster gegenüber, seines Sitzplatzes, es regnet, wie dünne Schnüre kam der Regen vom grauen Himmel. Stunden später, nach Unterrichtsschluß, ging er alleine durch diesen Regen zur Wohnung seines Großvaters, in einem alten mehrstöckigen Mietshaus. Er klingelte mehrmals, es macht ihm keiner auf. Markus fror er hatte kalt in seiner dünnen Sommerjacke. Er drückte auf die unterste Klingel. Frau Grün hatte einen Ersatzschlüssel für die Wohnung seines Großvaters, wie er wußte. Der Türsummer erklang, Markus drückte gegen die Tür, die sich öffnete “Guten Tag, kann ich den Schlüssel von Opa haben, es macht niemand auf“ fragte er die Nachbarin.“Natürlich Markus, dein Großvater ist vorhin weg gegangen mit deiner Tante. Er sagte mir Bescheid, das du vorbei kommst“ sagte Frau Grün und fuhr ihm durch die Haare. Ihre kleine faltige Hand fuhr zärtlich durch seine Haare. Sie wußte schon was er nur ahnte. Mit seiner Schultasche in der rechten lief er die Holzstiegen hinauf, ab und zu eine überspringend. In der Wohnung seines Großvaters, sahst nur Hansi der Wellensittich auf seiner Schaukel, leise piepste er vor sich hin und schnäbelte selbstverliebt mit seinem Spiegelbild. Markus setzte sich an den Küchentisch und wartete. Mit den Fingern zog er das Karomuster der Tischdecke nach.

Markus drehte sich eine Zigarette und trank ein Schluck aus dem Glas das auf dem Wohnzimmertisch stand. Mit seinem Finger fuhr er den Rillen im Furnier der Tischplatte nach. In seiner Erinnerung tauchten die Bilder auf, als sein Großvater mit der jüngeren Schwester seiner Mutter in die Wohnküche trat, beide in schwarzer Kleidung. Drei Tage später war die Beisetzung. „Paßt auf Markus auf“ waren die letzten Worte seiner Mutter gewesen, erzählte ihm seine Tante Jahre später.

Markus zog den roten Schlauch von der Trommel hinter dem orangnem LKW der Städtischen Betriebe. Er legte dem Metallhebel um und Wasser floß in den Betonblumenkübel. Gegenüber auf dem Schulgelände standen ein paar Mädchen und rauchten. Gekicher drang zu ihm rüber. Ab und an schämte Markus sich, wenn er wie jetzt in der Innenstadt arbeiten mußte, er wollte nicht gesehen werden. In seinen Gedanken fühlte er sich unsicher, er arbeitete schwer, gehörte aber nicht dazu. Sein Verdienst von etwas über einer Mark fand er lächerlich. Ihm fehlte aber der Mut sich auf eine andere Arbeitstelle zu bewerben. Er wußte das seine Kollegen hinter seinem Rücken über ihn sprachen, worin ihre Äußerungen bestanden wollte er gar nicht wissen. Während das Wasser in den Blumenkübel lief pflückte er abgestorbene Blätter von den Pflanzen. „Gott sei Dank, heute ist Freitag. Zwei Tage frei“. In letzter Zeit fühlte Markus sich müde und unkonzentriert, wie ausgebrannt. Er fühlte sich beobachtet, unruhig schaute er zu den Mädchen auf dem Schulgelände. Ob die über mich lachen, dachte er kurz. „ Warum sollten sie, bist du so wichtig, das dich jeder beobachtet, oder so wichtig“ sprach in jemand neben sich an. Markus fuhr erschrocken zusammen. Er drehte sich um, es war niemand da, der ihn ansprechen konnte. Seltsam in letzter Zeit verhörte er sich öfters, hörte oft Stimmen obwohl niemand in seine Nähe war. Er dachte an die letzte Nacht, deutlich konnte er sich an sein nächtliches Erlebnis erinnern. Was ist wenn es wirklich Mama war die ich spürte und hörte. Aus seinen Bücher wußte Markus, das es solche Phänomene gab. Und letzte Woche in den Unglaublichen Geschichten bei RTL-Plus hatte Rainer Holbe einen Beitrag über Jenseitskontakte gebracht. In einem Studio in Luxemburg hatte ein Team aus Parapsychologen und Physikern mit Tonbandgeräten Einspielungen gemacht, auf den deutlich Stimmen zu hören waren, obwohl die Bänder vorher genau auf Manipulationen überprüft worden waren. Und hatte Markus nicht selbst schon ein Erlebnis dieser Art gehabt. Als er mit Werner vor ein paar Wochen das Grab dieses Selbstmörders zugeschaufelt hatte. Nachdem sie in den Aufendhaltsraum getreten waren, lies Helmut wieder einen seiner zynischen Sprüche los. „Seit ihr nicht abgesoffen, der Typ in der Kiste war so voller Wasser, das es mich wundert das die Kiste nicht getropft hat, als wir sie anhoben“ Er führte seine Bierflasche zum Mund und nahm einen ordentlichen Zug. Helmut war an diesem Tag, als Sargträger dabei gewesen.“ Wieso voller Wasser?“ fragte Markus neugierig. „Würdest du ab und an einmal Zeitung lesen anstatt immer nur Bücher wüßtest du warum. Der Kerl ist vorige Woche in Furpach in den Fischweiher, aus Liebeskummer. In Homburg hatten sie ihn in der Patho auf den Tisch bekommen. Beim Einsargen haben sie Folie in den Sarg mit eingebracht damit nicht wirklich die Brühe anfängt rauszulaufen“ klärte Helmut ihn in seiner gewohnten Liebeswürdigkeit auf. „Blüht dir vielleicht auch noch“ glaubt Markus zu hören, als er mit Werner in den Waschraum ging.“ Ein Selbstmörder also, deshalb das doofe Gefühl, als wenn der Kerl wieder rauswolle“ sprach er Werner an, als er sich seine Hände einseifte.“ Las mal gut sein Markus, steigere dich nicht so hinein, Ist nicht gut für dich, glaub mir“ gab Werner ihm freundlich den Rat. Schweigend wuschen sich beide fertig. Niemals wieder sprachen beide über diese Beisetzung, als wenn sie nie existiert hätte.
Markus lies das Thema aber nicht mehr los. Er ging noch öfters als sonst in die Bücherei, viel hatten sie nicht über dieses Thema. In einer Buchhandlung kauft er sich einen Taschenbuch mit dem Titel, „Sprechfunk mit Verstorbenen“ An einem Nachmittag las er das ganze Buch durch und faste den festen Entschluß selbst Tonbandeinspielungen zu machen. Er glaubte daran mit dem Jenseits Kontakt aufnehmen zu können. Er hoffte es, wünschte sich nichts mehr. Immer öfters ging er nicht zu Arbeit, setzte sich mit seinem alten Kassettenrecorder und einem Bild seiner Mutter ins Wohnzimmer und versuchte mit einem Mikrofon Stimmen einzufangen. Dabei konsumierte er Unmengen von Kaffee und Zigaretten, an essen dacht er nur selten. Wie im Rausch, nahm er auf und spielte die Bänder wieder ab, oft glaubte er dabei die Stimme seiner Mutter zu hören, wenn er aber das Band wieder zurück spulte war außer atmosphärischem Rauschen nichts zu hören. Durch seine häufigen Fehlzeiten bekam er ein Problem mit dem Sozialamt, sein Vorgesetzter auf dem Friedhof mußte ihn wegen seiner Fehlzeiten melden. Den Termin beim Sozialamt lies Markus sausen. Er wollte nicht hingehen, warum auch, wenn seine Versuche zu weiteren Ergebnissen führten brauchte er die paar Kröten nicht mehr. Drei Tage später kam der Brief mit der Miteilung das die Behörde ein drittel ihrer Monatlichen Zahlung ein behielt weil Markus seiner Meldepflicht und Arbeitsverpflichtung nicht nach gekommen sei. Markus laß das Schreiben und schmiß es dann in den Mühleimer. „Recht hast du, laß dir doch von den nichts gefallen. Ich mache es auch so.“ Flüsterte Werner in sein Ohr. Markus schaute in den Kühlschrank viel war nicht mehr drin. Was soll es, Geld habe ich noch, genug um das nötigste einzukaufen. Im Supermarkt deckte er sich bei einem Rundgang durch die Regale mit Lebensmittel ein. An der Kasse warf er noch zwei Päckchen Tabak auf das Laufband. Er zahlte den Betrag den die Kassierein ihm nannte. Seinen Einkauf in einer Tüte mit sich rumtragend schlenderte Markus über den Oberen Markt. An einem Blumenbeet arbeiten einiger seiner frühren Kollegen, auch Werner war zu seinem Erstaunen dabei. Hatte der nicht heute Morgen noch zu ihm gesagt er mache es genauso wie er. „ Egal“, Lügner und Verräter gibt es immer wieder. Stur ging Markus auf seine Kollegen zu. „ Du bist mir der Richtige, findest du das hier in Ordnung?, sprach er Werner an. Dieser hob den Kopf und schaute Markus erstaunt an. „Mann, was ist los mit dir, Markus, seit Tagen machst du immer wieder blau, und was soll ich zu dir gesagt haben?. Spinnst du? . Wann haben wir uns das letztemal gesehen?:“
„ Heute Morgen hast du noch zu mir gesagt das du es genauso machst wie ich“. Werner ging aus der Hocke hoch, lege seinem Arm um Markus und zog ihn zur Seite. „Das ist doch nicht dein Ernst Markus, was ist los mit dir, hast du was geraucht. Machst du doch sonst nie“. „Laß mich gehen du dumme Sau“ schrie Markus und riß sich los. Beinah hätte er noch seine Einkaufstüte zerrissen. „Dumme Sau, Verräter“, schrie er und lief weg. Wie gut das kaum einer seiner Kollegen wußte, wo er wohnte, ging es durch seinen Kopf als er unter Umwege nach Hause ging, auch Werner nicht. „Ich kriege dich noch Markus, mache dich auf was gefaßt. Das eben war ein Fehler von dir.“ sprach Werner ihn an, in seinem Kopf. Markus wollte schreien konnte aber nicht mehr, was war bloß plötzlich los? Hatten sie sich verschworen gegen ihn, warum bloß?.
In den nächsten Wochen ging Markus nur noch abends oder in der Nacht vor die Tür. Einkäufe erledigte er an der nächsten Tankstelle. Einmal hörte er dabei, als er in die Tankstelle trat wie der Verkäufer dachte, „ Was ist das für ein Penner?“. „Guten Abend“ sprach ihn der Mann an, als Markus an die Kasse trat. „Warum halten sie mich für einen Penner“, fragte Markus den Verkäufer naiv, als dieser ihm sein Wechselgeld rausgab. „Hm, was, wie kommen sie darauf“, fragte der Mann verblüfft und schüttelte den Kopf „Besoffene haben recht“ hörte Markus noch wie er den Verkaufsraum verlies. Hier würde er nichts mehr kaufen
Zwei Wochen später. Die Regentropfen liefen über seine Brillengläsern. Er lief den Hüttenberg runter Unruhe und Angst trieb ihn. Seit Tagen war er wie auf der Flucht getrieben vor angst. „ Lauf Markus lauf, es nützt dir nichts. Wir bekommen dich doch noch, du hast keine Chance“. Er setzte einen Schritt vor den anderen. Er war naß bis auf die Haut. Die Stimmen die er hörte waren mit der Zeit immer aufdringlicher geworden. Erkannte er anfangs gar nicht, was mit ihm geschah, zog Markus später die falschen gedanklichen Schlüsse. Dachte er zuerst Para begabt zu sein, fühlte er sich seit kurzem Besessen. „Du gehörst zu uns, wir kriegen dich Markus, bald bist du hier“ hörte er Stunde für Stunde. Er traute sich schon nicht mehr unter Menschen zu gehen, sobald er auf jemand traf, hörte er kurz darauf die Person über ihn, Markus schimpfen. Heute nachmittag war seine Angst so stark, das er nur noch rum lief. Zuerst nach Spiesen, wo noch Verwandte von ihm wohnten. Von weitem beobachtete er das Grundstück, seiner Großeltern. „Komm doch vorbei, Markus. Oma würde sich freuen, sie hat dich lange nicht mehr gesehen“ stimmt seit er sieben war, hatte er keinen Kontakt mehr zu seiner Großmutter, der Mutter seines Vaters. Zu dem er ebenfalls seit der Scheidung seiner Eltern keinen Kontakt mehr hatte und auch nicht wollte. „Laß die Hände von meiner Mutter, Anna der will dir nichts Gutes. Der Kerl taugt nichts, habe ich doch schon immer gesagt“ hörte Markus, seinen Vater in seinem Kopf zu seiner Oma sagen. „ Markus geh nach Hause, komm das bringt dir doch nichts“ hörte er wieder seine Mutter. Sie war die einzige positive Geisterstimme die er wahrnahm. „Ich schlage dich tot, wenn du dich hier blicken läßt, fauler Saukerl“, hörte er wieder seinen Vater „Und du bist auch nicht besser“ hörte Markus seinen Vater zu seiner verstorbenen Frau sagen. „Laß Mama in Ruhe, du hast ihr früher schon immer weh getan“ formulierte Markus in Gedanken an seinen Vater. Der lachte bösartig hinter seiner Stirn. „Was weißt du schon. Hosenscheißer du lagst doch damals noch in den Windeln. Kannst froh sein das ich dich nicht kriegen kann“. Wieso kann er mich nicht kriegen? überlegte Markus in seinem wirren Kopf. „Weil ich dich beschütze“, hörte er wieder seine Mutter. Das war heute nachmittag inzwischen war er müde und hatte Durst. Er traute sich aber nicht nach Hause. Er wandte sich in Richtung Hauptstasse, wollte die Strasse überqueren. „Stimmen im Wind, die so zärtlich und liebvoll sind“ drang der neuste Hit von Juliane Werding aus einem vorbeifahrendem Autoradio Die Stimmen drohten ihm schreckliches an. In seiner Angst hatte er sich vorhin sogar an einen Pfarrer gewendet. Vor paar Minuten war er zum Pfarrhaus der Marienkirchen gegangen, klingelte nervös, bis ihm die Haushälterin öffnete. „Ich möchte gern den Pfarrer sprechen“. „Worum handelt es sich?“ fragte die Frau mißtrauisch und musterte Markus mit Blicken. Er sah reichlich runter gekommen aus. Naß, bis auf die Knochen, die Beine in seiner Jeanshose mit Dreck verschmiert, wo er durch den Wald nach Spiesen gelaufen war. Die langen Haar hingen tropfnaß an ihm runter. „Ich höre Stimmen, die mich bedrohen, ich will nur mit dem Pfarrer reden“. „Junger Mann sind sie betrunken oder stehen sie unter Drogen, für solchen Blödsinn haben wir hier keine Zeit“. Sie wollte gerade die Tür schließen, als eine Männerstimme hinter ihr sich einmischte. „Lassen sie den Mann bitte herein, Helga, ich möchte mit ihm reden“. Helga die Hauswirtschafterin gab Markus die Tür frei, so das er eintreten konnte. Markus kannte den Pfarrer nicht, in seiner Vorstellung war er von einem alten Mann ausgegangen. Vor ihm stand ein sportlicher Typ Anfang vierzig, in Jeans und Freizeithemd. „Baier“ stellte er sich Markus vor und reichte ihm die Hand. Markus murmelte seinen Namen. „Na dann kommen sie mal mit in mein Arbeitszimmer“ er ging voraus und öffnete eine Holztür. Markus trat in einen mäßig möblierten Raum. Ein Schreibtisch mit zwei Rattansesseln davor. „Nehmen sie Platz, sie dürfen auch Rauchen“ er hatte an den Nikotinspuren an Markus Fingern gesehen das dieser ein sehr starker Raucher sein mußte. „ Ich glaube nicht an Gott, ich war seit meiner Schulzeit nicht mehr in der Kirche“. fing Markus zögernd an zu sprechen. „Das macht nichts, sie brauchen sich dafür nicht zu entschuldigen“ forderte Pfarrer Baier, Markus auf weiter zu reden, als dieser kurz stockte. Markus erzählte von seinen Tonbandversuchen, seiner Angst immer wieder diese Stimmen zu hören. Sein Glauben an das übersinnliche, sein Wunsch telephatisch begabt zu sein. Der Geistliche ließ ihn ausreden, fragte nur nach wie lange Markus schon die Stimmen hörte. „Sie müssen sich behandeln lassen, sie sind krank“, „Ich bin nicht verrückt ich höre diese Stimme wirklich“, fiel Markus ärgerlich dem Pfarrer ins Wort. „Lassen sie mich doch bitte ausreden. Ich glaube ihnen das sie diese Stimmen hören. Deswegen halte ich sie nicht für Verrückt. Sie sind krank, psychisch oder seelisch wie ich es nennen würde. Sie können mir glauben, heute kann man diese Krankheit heilen. Ich kann für sie einen Termin in einer Klinik machen. Ich bringe sie auch gerne hin.“. „Danke ich verzichte, ich bin nicht verrückt“, Markus stand auf bot dem Pfarrer die Hand zum Abschied und verlies das Pfarrhaus. „Geht der Kerl zum Pfaffen, das glaubt mir doch keiner“, hörte er wieder die Stimme seines Vaters. Die ganze Zeit wo Markus sich im Pfarrhaus aufgehalten hatte waren die Stimmen in seinem Innern ruhig gewesen. Als seien sie nicht mehr vorhanden. Er war gerade dabei die Hauptstrasse zu überqueren, durch seine verschmuzte Brille nahm Markus noch einen Lichtschein war. Ein schmerzhafter Schlag traf seine Beine, vor seinen inneren Augen fiel er eine Mauer runter und schlug auf schwarzem Asphalt auf. „Endlich Markus, endlich bist du bei mir, mein kleiner Junge. Mama ist für dich da“ hörte er zum letztenmal die liebevolle Stimme seiner Mutter.
Ein Jahr später, überall in den Geschäften erklangen Weihnachtslieder. Eine dunkelhaarige Frau Anfang zwanzig harkte sich in Markus Arm ein und streichelt zärtlich über seine Hand. Verliebt sah Markus Sandra an und haucht ihr einen Kuß auf die vollen Lippen. Nach seinem Unfall, war er als Notfall in eine Klinik eingeliefert worden. Der Beinbruch heilte schnell, die Kopfwunde war nicht weiter tragisch. Trotzdem dauerte sein Klinikaufenthalt länger. Pfarrer Baier hatte den Unfall vor seinem Pfarrhaus mitbekommen. Er lief vor die Tür, als er Markus so da liegen sah, dachte er zuerst an einen Suizidversuch. Passanten klärten ihn auf, das der junge Mann in aller Ruhe über die Strasse gehen wollte, als ein dunkler Wagen wie aus der Pistole geschossen aus einer Seitenstrasse auftauchte. Ein dunkler Kombi, wie ein Leichenwagen, dachte Pfarrer Baier, als er den Wagen auf der Strasse stehen sah. Der Pfarrer fuhr mit, als Markus mit dem Notarztwagen in die nächste Klinik gebracht wurde. Er sprach mit den Ärzten, über Markus Stimmenhören. „Den kriegen wir wieder hin, äußerte sich der Diensthabende Arzt. Schwester machen sie doch bitte noch eine Infusion Haldol und Diazipan 5.mg, intravenös fertig. Der Patient scheint auch unter einem Psychotischen Schub zu leiden. Rufen sie bitte auch noch auf der P2 an, das Kollege Kordowich, mal nach ihm schaut“. Markus lernt während seines Klinikaufenthaltes schnell das sein Stimmenhören nichts mit dem Jenseits zu tun hatten. „Sie leiden unter einer Halluzinogenen Form einer Psychose, bei ihrer Familiengeschichte verwundet es mich nicht das sie ein solches Syndrom entwickelt haben“ sagte Dr. Kordowich, einer der Psychiater der Klinik zu ihm. In der ReHa-Klinik lernte Markus Sandra kennen, sie arbeitete dort als Bewegungstherapeutin, nach und nach kamen sich beide näher Und Sandra kümmerte sie sich nicht mehr nur um seine Beine.
Anmerkung des Autors:
Das von mir beschriebene Krankheitsbild einer PSYCHOSE gibt es wirklich. Psychosen äußern sich oft durch Halluzinationen, Stimmenhören. Die Persönlichkeit der Betroffenen bleibt dabei erhalten. Eine gezielte Behandlung ist heute möglich, eine Heilung nach Auskunft, von Fachleuten nicht. Dieser Meinung schließe ich mich persönlich nicht an. Wie ich aus eignem Erleben weiß, kann eine Psychose durchaus, restlos ausheilen.


Textbeitrag für den Marburger Con 2oo5

Alle Rechte bei Michael Holzer Falls sie Ausschnitte dieses Textes verwenden wollen setzen sie sich vorab per Mail mit mir in Verbindung, Danke
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